2. Generation
Konrad Glatz 1934-1971
Bereits Monate vor dem Tod seines Vaters Friedrich leitet Konrad Glatz die Geschicke des Handelshauses. Die Wiener Börse für Landwirtschaftliche Produkte betraut ihn 1938 mit der Funktion des Schiedsrichters. Glatz muss nicht in den Krieg ziehen. Das Regime braucht ihn zur Organisation der Getreidewirtschaft. Das Handelshaus Glatz verwandelt sich in eine halbstaatliche Stelle.
In Serbien und Rumänien kommt es zu Unternehmensneugründungen. In Belgrad errichtet das Handelshaus Glatz die Donau-Cereal A.G., und gemeinsam mit der deutschen Korn-Kompagnie Flensburg betreibt Glatz die Cerealcomert S.A.R. im rumänischen Braila. Die Außenstellen organisieren den Export des Getreides von dort ins Deutsche Reich. Doch mit Kriegsende gehen alle Beteiligungen und Tochterunternehmen auf dem Balkan verloren.
1945 Unmittelbar nach Kriegsende nützte die Firma den „Maria-Theresien-Berechtigungsschein“ zum Handel mit Waren aller Art. In der Not erfinderisch, handelt die Firma mit einer erstaunlichen Warenpalette. Sie reicht von Besen und Schuhpasta über Gugelhupf- und Marzipanmasse bis zu Flüssigseife und Nadeln.
Österreich leidet schwer unter den Kriegsfolgen. Für die Ausgabe von Mehl wird eine Mehlverteilungsstelle gegründet. Glatz bekommt die Organisation übertragen, die Durchführung besorgt die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft der Wiener Bäcker. Dazu muss eine komplizierte Bezugsscheinkartei aufgebaut und verwaltet werden. Gleichzeitig ist das Unternehmen auch für andere Lebensmittel zuständig.
1947 erhielt Ernst Weiner, damals erst 28 Jahre alt, in Anerkennung seiner Leistung und Loyalität die Einzelprokura. 1933 als Lehrling eingetreten, nahm er sofort nach dem Krieg die Geschicke der Firma in seine Hände und hat das Unternehmen erfolgreich durch die ersten Nachkriegsjahre geführt. 1949 erweitert sich die Führungsspitze zum Trio: Auch Chefbuchhalter Raimund Klotz wird zum Prokuristen ernannt. Er ist bereits seit 1915 Teil von Glatz und zählt zu den Urgesteinen.
Nach dem Auslaufen der Hilfslieferungen aus den USA ändert sich das Getreidegeschäft: Glatz beginnt nun, selbst Getreide zu importieren. Denn die Inlandsproduktion ist noch lange nicht groß genug, um den Bedarf zu decken, und das österreichische Getreide ist den industriell produzierten Sorten aus Übersee qualitativ unterlegen. Die Geschäfte mit den internationalen Getreidegroßhändlern, vor allem in den USA und Kanada, laufen bei Glatz über die Auslandsabteilung. Bis zu 900.000 Tonnen Getreide jährlich importiert Österreich in den Nachkriegsjahren.
Zum Auslandsgeschäft kommt ein wachsendes Inlandsgeschäft dazu: Auch, weil die konkurrierenden Genossenschaften ihr Angebot verbreitern, dehnt Glatz die Geschäftsfelder aus. Das Unternehmen vertreibt nun auch Sojaschrot, Ölkuchen, Fisch- und Fleischmehl zur Tierfütterung, Düngemittel und zunehmende Mengen Saatgut.
Am 1. September 1950 lässt Glatz die „Agrar-Speicher-Betriebs-Gesellschaft m.b.H.“ ins Firmenbuch eintragen. Die neue Firma hat den Zweck, die unter sowjetischer Verwaltung stehenden Speichersilos Rhenus und Hansa im Donauhafen Wien-Albern zu betreiben. In den Speichern lagert Glatz die großen Getreidemengen ein, die aus Übersee kommen.
Paul Bruck aus Leopoldsdorf wird 1952 ein wichtiger strategischer Partner für Konrad Glatz: Mit dem Sohn einer Landesproduktenhändlerfamilie gründet er die Paul Bruck KG. Diese baut im Marchfeld und im nördlichen Burgenland 15 Standorte auf. Im Lauf der Jahre mehrt Glatz die Anteile an der gemeinsamen Firma, bis die Paul Bruck KG ganz ins Eigentum von Glatz übergeht.
Von Wien und Niederösterreich aus rollt Glatz den gesamten österreichischen Markt auf. Mit neu angestellten Vertretern kommt die Firma von einem neuen Bürostandort in Wels aus mit Mühlen und anderen Abnehmern bis Tirol hinein ins Geschäft. Auch der Süden Österreichs wird von Glatz-Vertretern in der Steiermark und in Kärnten systematisch und erfolgreich bearbeitet.
1960 und 1970 errichtet Glatz in Korneuburg direkt an der Donau zwei verkehrsgünstig gelegene Großsilos mit 40.000 Tonnen Lagervermögen.
In den 1960er Jahren entsteht eine eigene Abteilung für Trockenfrüchte, Reis und Konserven im Unternehmen, die in den 80er Jahren bereits ein Viertel des Gesamtumsatzes für sich verbuchen konnte.